eavan_12862224Das mit der Milch ist wirklich totaler quatsch
7.4 Mythen
7.4.1 Milch und Milchprodukte
Produkte wie Milch, Joghurt, Pudding, Kefir, Quark etc. bieten sich als Ernährung beispielsweise nach einem Zungenpiercing geradezu an. Sehr häufig hört man jedoch die Anweisung, nach einem Oralpiercing bis zur Heilung sämtliche Milchprodukte zu vermeiden. Gründe werden erstmal keine genannt, auf Nachfrage erhält man eventuell eine Reihe von Gründen, die nachfolgend beleuchtet werden sollen.
* "Infektionsgefahr"
In Milchprodukten, die hierzulande auf dem Markt sind, befinden sich üblicherweise keine Infektionserreger, dieses wird auch regelmäßig kontrolliert. Die Bakterien, mir denen einige Milchprodukte hergestellt werden (z.B. Milchsäurebakterien im Joghurt) sind selbstverständlich keine Infektionserreger, denn sonst wären sie für die Herstellung von Lebensmitteln verboten. Lediglich in Rohmilch, die man sich vom Bauern holt und es versäumt, sie wie vorgeschrieben abzukochen, muss man theoretisch mit einer Verunreinigung z.B. mit Streptokokken (Eitererreger, verursachen bei Kühen Euterentzündungen) rechnen, aber auch solche Betriebe, die Rohmilch an Verbraucher abgeben, werden streng kontrolliert. Listerien, die immer wieder in den Medien für Aufsehen sorgen, können einem in Rohmilchkäsen begegnen, verursachen aber normalerweise keine Wundinfektionen, die Infektion erfolgt über den Darm.
Für weitere Info z.B.: Verordnung über Hygiene- und Qualitätsanforderungen an Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis ("Milchverordnung"), http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/b100036f.pdf
http://stanpc1.lb.tu-berlin.de/GDCH/Rv-04-99/Kirst-.html
* "Die enthaltene Milchsäure ist zu aggressiv"
Es enthalten nur solche Milchprodukte Milchsäure in nennenswerten Mengen, die mit Hilfe von Milchsäurebildnern hergestellt wurden, also z.B. Joghurt. Dieser ist aber auch nicht so sauer, dass man ihn als aggressib bezeichnen könnte. Der pH-Wert von Joghurt entspricht dem Milieu in der weiblichen Scheide, das ebenfalls von Milchsäurebakterien erzeugt wird. Da macht es schon eher Sinn, vor Saurem allgemein zu warnen, allerdings merkt das eigentlich jeder selbst (schonmal mit aufgesprungener Lippe Orangensaft getrunken?)
* "Milchprodukte ernähren Infektionserreger"
Das tun sämtliche andere Lebensmittel auch. Irgendetwas wird man wohl essen müssen.
* "Milch fördert Entzündungen und behindert die Heilung"
Völlig aus der Luft gegriffen. Das Gegenteil ist der Fall, man kann Milch sogar benutzen, um ausgeschlagene Zähne am Leben zu erhalten, bis sie wieder eingesetzt werden können. Hierzu gibt es wissenschaftliche Veröffentlichungen:
Aus Medline (http://www.ncbi.nlm.nih.gov:80/entrez/query.fcgi?-db=PubMed):
J Endod 2000 Dec;26(12):699-702
Determination of periodontal ligament cell viability in long shelf-life milk.
Marino TG, West LA, Liewehr FR, Mailhot JM, Buxton TB, Runner RR, McPherson JC 3rd.
Hier wurde Milch (Pasteurisierte und H-Milch) sozusagen als Zellkulturmedium benutzt, um bestimmte Zahnfleischzellen am Leben zu erhalten bzw. sich vermehren zu lassen. H-Milch wird nur deswegen vorgezogen, weil sie nicht gekühlt werden braucht.
Und dann noch:
Rayner TE, Cowin AJ, Robertson JG, Cooter RD, Harries RC, Regester GO, Smithers GW, Goddard C, Belford DA.
Mitogenic whey extract stimulates wound repair activity in vitro and promotes healing of rat incisional wounds.
Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol. 2000 Jun;278(6):R1651-60.
Molkeextrakt beschleunigt Wundheilung:
"These data suggest the mixture of factors present in bovine milk exerts a direct action on the cells of cutaneous wound repair to enhance both normal and compromised healing."
* "Milch schleimt"
Milch enthält Proteine und Fett, die einen Belag im Mund hinterlassen können, der aber bald wieder verschwindet. Es ist kein Schleim darin.
Zusammenfassen ist zu sagen, dass sich nirgends in der medizinischen Literatur Hinweise finden, dass Milchprodukte sich negativ auf die Wundheilung auswirken, und wer Milch nicht verträgt (Allergie, Lactoseintoleranz), wird sie sowieso meiden. Interessanterweise scheint die Angst vor Milchprodukten auf Deutschland beschränkt zu sein. In den USA ist sie unbekannt.
http://www.derb-info.de/info-piercing.php4#Heilung